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Alte Herren- Ich bin nicht alt, sondern erfahren!

Das Leben ist ein fortschreitender Prozess des Zerfalls, wenn man es aus streng biochemischer Perspektive zu betrachten wagt. Diese Abwärtsspirale gilt für Fußballer in ganz besonderer Weise; da muss man sich nur die Personalpolitik des Bundesjogis anschauen, um zu wissen, dass man mit knapp 30 Jahren zu den Greisen auf dem Platz gehört. Die körperliche Belastung für Kreisligakicker ist im Vergleich dazu um ein Vielfaches höher. Man wird schließlich nicht von Physiotherapeuten, Ernährungsspezialisten und kompetenten Ärzten begleitet, während man seine Trainingseinheiten auf einem butterweichen und präzise gemähten Grün absolviert. Nein, ein Kreisligaspieler trinkt so viel Bier, als ob er sich ganzjährig auf das Oktoberfest vorbereiten würde, kloppt sich Unmengen an Bratwurst und Fritten in den Rachen und geht seiner Leidenschaft auf Maulwurfsäckern nach, die für eine Viehweide nicht mehr taugen. Im Gegensatz zu den Profis hört eine Kreisligakarriere aber niemals so richtig auf, ist jedoch von einer Zäsur betroffen, derer wir uns heute eingehender widmen wollen. Es geht um die „Alten Herren“.

Ab wann ist man alt?

Man ist so alt, wie man sich fühlt. Schützenfestwochenende und Derby in der Kreisliga am Sonntag um 13 Uhr. Da ist der bemitleidenswerte Flügelflitzer mit frischen 24 Jahren mal ganz schnell in Altersgefilden, die nach einem Rolator schreien. Doch ab wann ist man ein alter Herr?! Hochoffiziell darf man am ersten Tag des Jahres für die faltigen Greise gegen den Ball treten, in dem man 32 wird. In diesen Regularien finden sich dann auch schon amüsante Betrachtungsweisen, denn der 31-jährige Fußballrentner ist bei seiner neuen Truppe das jüngste Mitglied und quasi das biertragende Küken. Schließlich treiben sich bei den „Alten Herren“ Amateurprofis herum, die auch schon über 60 Lenze auf dem Buckel haben.

Unterschiede: „In der Jugend lernt, im Alter versteht man.“ (Marie von Ebner-Eschenbach)

Jeder, der auch nur den Hauch einer Ahnung von Kreisligafußball hat, weiß, dass es sich dabei nicht um irgendein Hobby handelt. Die ehrenamtlichen Gladiatoren pfeifen sonntags auf ihre körperliche Unversehrtheit und nehmen Knochenbrüche beim Kampf um einen Einwurf auf Höhe der Mittellinie in Kauf. Betäubt werden die damit einhergehenden Schmerzen mit den üblichen Hausmittelchen, die es in jeder gut sortierten Kneipe zu erwerben gibt. Doch irgendwann kommt der Tag, da kann man mit den jungen Wilden in einigen Bereichen nicht mehr konkurrenzfähig konkurrieren. Sprinttempo und Ausdauer gehören zu den beiden Fähigkeiten, die im hohen Alter von 32 Jahren einfach nachlassen. Wer allerdings hunderte von Schlachten auf den Schlachtfeldern gleichenden Fußballplätzen geschlagen hat, der kann nicht einfach auf diese süchtigmachende Betätigung verzichten. Müsste er das, würde er sein privates Umfeld mit schwankender Laune wahrscheinlich in den Wahnsinn treiben. Deshalb wurden vom Gesundheitsministerium, führenden Psychologen und genervten Ehefrauen die sogenannten „Alten Herren“ ins Leben gerufen. Hier können Kriegsversehrten der Kreisligen weiter ihrem Sport nachgehen, der sich in einigen Aspekten von der gewöhnlichen Kreisliga unterscheidet.

 

Training: Übung für den Meister

Wir haben bereits ausführlich über die Gepflogenheiten eines handelsüblichen Trainings im Mikrokosmos Kreisliga berichtet.

https://www.sus-scheidingen.de/2019/06/26/training-gemeinsames-gehampel/

Bei den „Alten Herren“ laufen die Übungseinheiten etwas anders ab.

Die Methusalems verfügen altersbedingt über eine gewisse Genügsamkeit, weshalb die Trainingszeiten nicht mehr so strikt einzuhalten sind. Konkret heißt dies, dass man nicht mehrmals wöchentlich zur schweißtreibenden Einheit am Platz erscheinen muss. Das würden die Körper auch gar nicht mitmachen und die Hausärzte würden nach wenigen Wochen mehr Hüft-Operationen verschreiben müssen, als es das Gesundheitssystem verkraften könnte. Auch wird nicht mehr so streng auf den Beginn des Spektakels gepocht, schließlich muss man sich vor Beginn erst einmal über die Urenkel, Ururenkelinnen und die beste Rheumasalbe unterhalten.

Auch das eigentliche Training ist an den immensen Erfahrungsschatz und die individuellen Bedürfnisse der Legenden angepasst. Während die Jungspunde endlos ihre Runden drehen, das berühmt berüchtigte Lauf-ABC vollführen und völlig sinnbefreite Sprintübungen absolvieren, geht es bei den „Alten Herren“ pragmatischer zu. Es ist vergleichbar mit der Sage um Obelix, der als kleines Gallierkind in den Topf mit Doppelkorn gefallen ist. Die Weisen des Fußballs haben in ihrem Leben so viele Passübungen, Laufeinheiten und anderen Firlefanz betrieben, dass es nun einfach nicht mehr notwendig ist.

Dementsprechend werden die müden Muskeln ein wenig auf Betriebstemperatur gebracht und dann geht es auch schon in den traditionellen Kreis, denn auch betagtere Kicker müssen ihre Mannschaftskasse mittels Beinschüssen füllen, um einmal im Jahr eine Mannschaftsfahrt finanzieren zu können.

An guten Tagen wird noch ein wenig auf das Tor geballert, doch die eigentliche Trainingseinheit bildet das, was bei den Jungspunden das heißgeliebte Abschlussspiel ist. Es werden Teams gebildet und dann wird auch schon drauflos gekickt.

Im Anschluss daran versammelt man sich an der Theke, tauscht sich über Hobbies aus (Falschparker aufschreiben, QVC gucken, Briefmarken sammeln) und gönnt sich einige Erfrischungsgetränke.

Rentnergepöhle oder hat das auch was mit Fußball zu tun?

Wie kann man sich das vorstellen, wenn einige in die Jahre gekommene Kreisligahelden gegeneinander antreten? Schläft man beim Zuschauen ein und verschüttet dabei kostbares Bier? Hört man ständig knackende Knochen, wenn sich die vom Kreisligabetrieb gezeichneten Gestalten über den Platz quälen? Ja und nein…

Naturgemäß ist das Spieltempo nicht mehr so hoch, wie man es aus den jugendlichen Jahren Anfang 20 kennt. Alles spielt sich in einer gemächlicheren Geschwindigkeit ab, bei welcher der Zuschauer auch mit Sicherheit nichts verpasst. Einige von den jüngeren Vertretern lassen hin und wieder aufblitzen, dass sie in grauer Vorzeit gerne die Linie entlang gesprintet sind. Damit machen sie sich allerdings nicht zwangsläufig beliebt und auch alte Beine können noch gut getimte Grätschen anbringen, die Ball und gegnerischen Körper erwischen.

Allgemein lässt sich über die Spielweise sagen, dass sie eine dem Schach innewohnende taktische Komponente erhält, die man sonst in der Kreisliga eher selten bestaunen kann.

Die Millionen von gespielten Pässen, die so ein „Alter Herr“ in seinem Leben bereits an den Mitspieler gebracht hat, schlagen sich auch in der Qualität seines Könnens nieder. Der Ball wandert von Reihe zu Reihe, wird technisch versiert verarbeitet und auch die Kommunikation untereinander ist auf einem Niveau, welches von Abgebrühtheit und erhabener Erfahrung geprägt ist. „Kehr Kalle, jetzt renn doch ma!“ „Der Pass war scheiße und ich hab schon wieder Rücken!“

Aber mal Spaß beiseite. Die Abstriche beim Spieltempo liegen in der Natur der Sache. Die Qualität kann sich aber definitiv sehen lassen und so kommt es auch immer wieder dazu, dass die Senioren unter den Senioren bei den Erst- oder Zweitvertretungen ihrer Vereine aushelfen, wo sie die Strippen ziehen, Kommandos geben (Laufwege delegieren) und die tödlichen Pässe in die blanken Schnittstellen spielen.

 

Aufstieg? Abstieg? Pöhlen!

In den Kreisligen geht es bekanntlich heiß her. Die Mannschaften kämpfen verzweifelt gegen den Abstieg oder wollen unbedingt aufsteigen, damit die Mannschaftsfahrt auch einen lohnenden Hintergrund erhält. Bei den „Alten Herren“ ticken die Uhren etwas anders, wenngleich das wenig über das Geschehen auf dem Platz aussagt.

Die Spielerdecke wird immer dünner. Das kennt man bei den Jugendmannschaften, wo es aufgrund der schwindenden Zahlen zu immer mehr Spielgemeinschaften kommt. Dieses Phänomen erstreckt sich auch auf die „Alten Herren“. So hat unser SuS eine Spielgemeinschaft mit den Sönneranern vom Türkenplatz, damit ein gewisser Spielbetrieb gewährleistet werden kann und die Fußballrentner auch weiterhin ihrer Leidenschaft nachgehen können.

Im hohen Alter geht es in der Regel nicht mehr um Aufstieg, Abstieg oder sonstigen Kokolores. Denn jeder weiß, „wichtig ist auf’m Platz“. Zwar gibt es auch Ligen, in denen die Eisenstollen unter die ledernen Treter geschraubt werden, doch wird vornehmlich in Freundschaftsspielen und Turnieren gekickt. Diese Spiele haben allerdings wenig mit kameradschaftlicher Eintracht zu tun, denn auf dem Platz gibt es keine Freunde. Selbst in den scheinbar belanglosen Begegnungen der Fußballgreise wird um jeden Ball gekämpft, wild herumgebrüllt und dem Schiedsrichter dessen Job erklärt.

Es gibt eben Dinge, die ändern sich nie.

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